Die Kurd:innen sind eines der größten Völker, denen das Selbstbestimmungsrecht verweigert wird und dessen Siedlungsgebiete sich über Teile der heutigen Türkei, Irans, Iraks und Syriens erstrecken. Schätzungen gehen von rund 50 Millionen Kurd:innen weltweit aus – neben den Menschen in Kurdistan selbst lebt eine große Zahl in der Diaspora, unter anderem in Europa und in Deutschland.
Gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt
Die Kurd:innen sind vielfältig in ihren sprachlichen Dialekten, der Religionszugehörigkeit, politischer Orientierung und Lebensweise. Diese Vielfalt ist keine Schwäche, sondern eine zentrale Realität der kurdischen Gesellschaft.
Sprachen
Zu den wichtigsten kurdischen Dialekten gehören unter anderem:
- Kurmancî – die am weitesten verbreitete kurdische Sprache, gesprochen vor allem in der Türkei, in Syrien und Teilen des Iraks und Irans;
- Soranî – vor allem im Irak und Iran verbreitet;
- Kirmanckî / Zazakî / Dimilkî – vor allem in Teilen Nordkurdistans (Osttürkei).
Viele Kurd:innen wachsen mehrsprachig auf – neben ihrer kurdischen Muttersprache sprechen sie in der Regel auch die Amtssprache des Staates, in dem sie leben (Türkisch, Arabisch, Persisch usw.).
Religionen
Religiös sind Kurd:innen ebenfalls vielfältig. Unter ihnen finden sich unter anderem:
- Muslim:innen (mehrheitlich sunnitisch, schiitisch und weitere Strömungen),
- Êzîd:innen (Jesid:innen),
- Alevit:innen
- Jüd:innen,
- und Menschen mit säkularen oder nicht-religiösen Weltanschauungen.
In Kurdistan leben darüber hinaus zahlreiche andere Völker und religiöse Gemeinschaften – etwa Armenier:innen, Aramäer:innen, Assyrer:innen, Chaldäer:innen, Turkmen:innen, Araber:innen, Türk:innen, Perser:innen und andere – die seit Jahrhunderten dieselben Landschaften teilen oder gezielt angesiedelt wurden.
Staatliche Repression und gesellschaftlicher Widerstand
Die Aufteilung der kurdischen Siedlungsgebiete auf vier Nationalstaaten hat zur Folge, dass Kurd:innen oft als „Sicherheitsrisiko“ oder „Integrationsproblem“ dargestellt werden, sobald sie ihre Rechte einfordern – etwa das Recht, ihre Sprache in der Schule zu lernen, ihre Kultur öffentlich zu leben oder sich politisch für Selbstbestimmung einzusetzen.
Typische Formen der Unterdrückung in den letzten 100 Jahren waren und sind:
- Verbote der kurdischen Sprache im Bildungssystem und in den Medien,
- Kriminalisierung von Kultur, Symbolen und politischer Organisierung,
- gezielte Entvölkerung kurdischer Dörfer und demografische Umstrukturierungen,
- Verfolgung, Haft, Folter und Massaker an der Zivilbevölkerung.
Dem gegenüber steht eine reiche Geschichte des Widerstands und der Selbstorganisierung: von frühen Aufständen über Parteien und Gewerkschaften bis hin zu Rätestrukturen, Frauenbewegungen, Jugendorganisationen und kulturellen Initiativen.
Die kurdische Frage als demokratische Frage
Die kurdische Frage ist deshalb nicht nur eine „nationale Frage“, sondern eine demokratische Frage: Wie können in einem multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Raum die Rechte aller Menschen garantiert werden – ohne Hierarchien zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung, ohne Kolonialherrschaft, ohne Patriarchat?
Die kurdische Freiheitsbewegung versucht, auf diese Frage Antworten zu geben – unter anderem mit dem Konzept des Demokratischen Konföderalismus, das an anderer Stellte dargestellt wird.