Şengal: Erinnerung heißt Widerstand – Selbstbestimmung ist die Antwort

Erklärung der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e. V. (KON-MED), 02.08.2025

Am 3. August 2025 jährt sich der Genozid an der êzîdischen Bevölkerung von Şengal zum elften Mal. Was an diesem Tag vor elf Jahren geschah, war nicht nur ein Angriff des sogenannten Islamischen Staates (IS) auf eine religiöse Minderheit – es war der Versuch der vollständigen Vernichtung einer jahrtausendealten Gemeinschaft, verübt vor den Augen einer schweigenden Weltöffentlichkeit.

Zehntausende Êzîd:innen wurden vertrieben, Tausende Männer hingerichtet, über 7.000 Frauen und Kinder verschleppt, versklavt, vergewaltigt, zwangsislamisiert. Bis heute ist das Schicksal von mehr als 2.700 Êzîd:innen ungeklärt. Für die êzîdîsche Gemeinschaft und die kurdische Bevölkerung insgesamt sind diese Wunden noch immer offen.

Dieser Genozid wurde auch deshalb ermöglicht, weil die Bevölkerung nach dem plötzlichen Rückzug der Peschmerga-Einheiten der südkurdischen Regierungspartei PDK schutzlos dem Terror des IS ausgeliefert wurde. Schließlich war es die PKK, die am 3. August 2014 als erste militärische Kraft reagierte. Ihre Guerillaeinheiten brachten den Şengal-Gebirgszug unter Kontrolle und schützten Zehntausende Geflüchtete vor einem Massaker. Zusammen mit den Einheiten der YPG und YPJ aus Rojava öffneten sie einen humanitären Korridor nach Nordostsyrien. So konnten etwa 35.000 Menschen gerettet werden. Bei der Rettungsaktion ließen rund 300 Kämpfer:innen der YPG, YPJ, HPG und YJA Star ihr Leben.

Widerstand wird organisiert – nach dem Vorbild des Demokratischen Konföderalismus

Die Befreiung von Şengal im November 2015 und der anschließende Aufbau einer autonomen Selbstverwaltung markierten einen historischen Wendepunkt. Inspiriert von den Ideen des demokratischen Konföderalismus nach Abdullah Öcalan entstanden in Şengal Strukturen kollektiver Selbstbestimmung sowie eigene êzîdîsche Selbstverteidigungseinheiten, die YBŞ und YJŞ, um weiteren Genoziden entgegenzutreten.

Doch der Krieg ist nicht vorbei. Er hat nur seine Form verändert.

Bis heute greifen die türkische Armee und mit ihr verbündete Kräfte gezielt die demokratische Selbstverwaltung in Şengal an. Drohnenangriffe, gezielte Tötungen, die Zerstörung ziviler Infrastruktur – all das geschieht mit stillschweigender Billigung internationaler Mächte. Die deutsche Bundesregierung erkennt zwar den Genozid symbolisch an, beteiligt sich aber an der Fortsetzung desselben durch Waffenexporte an die Türkei und die Abschiebung êzîdischer Geflüchteter in ein unsicheres, kriegsgezeichnetes Gebiet.

Unsere Forderungen zum 11. Jahrestag:

  1. Internationale Anerkennung der êzîdischen Selbstverwaltung in Şengal
    Die Selbstbestimmung der Êzîd:innen ist keine Bedrohung – sie ist der einzige Garant für eine sichere Zukunft nach dem Genozid.
  2. Ein Ende der türkischen Angriffe auf Şengal
    Die internationale Gemeinschaft muss ihre Verantwortung wahrnehmen und eine Flugverbotszone über Şengal einrichten.
  3. Stopp der Unterstützung für den türkischen Krieg gegen die Kurd:innen
    Deutschland muss alle Rüstungsexporte an die Türkei beenden und sich klar gegen ihre völkerrechtswidrigen Angriffe positionieren.
  4. Recht auf Rückkehr – ohne Angst
    Zehntausende Êzîd:innen leben noch immer in südkurdischen (nordirakischen) Geflüchtetencamps. Ihre Rückkehr darf nicht von militärischer oder politischer Erpressung behindert werden.
  5. Gerechtigkeit und Aufarbeitung
    Die Täter:innen des Genozids müssen strafrechtlich verfolgt und ihre Unterstützer:innen benannt und sanktioniert werden. Auch westliche IS-Mitglieder in nordostsyrischer Haft müssen endlich in ihre Herkunftsländer zurückgeführt und dort vor Gericht gestellt werden.

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